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15. März 2022

Kurzberichte über Forschungsvorhaben von bauaufsichtlichem Interesse

Das DIBt initiiert, vergibt, begutachtet und betreut im Auftrag der Bauministerkonferenz bautechnische Untersuchungen von allgemeinem bauaufsichtlichem Interesse. In den letzten Monaten wurden Forschungsvorhaben abgeschlossen. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse können Sie in diesem Artikel nachlesen.

Bestimmung der Teilsicherheitsbeiwerte auf der Widerstandsseite für den Nachweis der Standsicherheit von geklebten Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS)

Forschende Stelle:

Univ.-Prof. Dr.-Ing. U. Vogdt
Dipl.-Ing. Schober
Karl-Marx-Straße 63
14532 Kleinmachnow

Lfd. Nr.: 5.120 und 5.120.1

Die Anwendbarkeit eines WDVS ist durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung einschließlich einer allgemeine Bauartgenehmigung (aBG) oder mit einer europäischen technischen Bewertung (ETA) unter Berücksichtigung in Verbindung mit den der Vorgaben der Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen – MVV TB, Anhang 11 – sofern möglich – oder alternativ mit einer allgemeinen Bauartgenehmigung nachzuweisen. Die Auswertung der diesbezüglich erforderlichen Untersuchungen zur Standsicherheit und Dauerhaftigkeit erfolgt bislang – bei Annahme von vereinfachten Tragmodellen – mit dem konservativen Ansatz von globalen Sicherheitsbeiwerten. Für die Anpassung an das im Bauwesen gebräuchliche semiprobabilistische Nachweisverfahren müssen nunmehr jedoch Teilsicherheitsbeiwerte für den Widerstand bestimmt werden.

Als Grundlage für die qualitative und quantitative Festlegung der Teilsicherheitsbeiwerte sollte mit diesem Forschungsvorhaben zunächst ein geschlossenes theoretisches Modell zur Analyse des Verhaltens von geklebten WDVS auf mineralischen Untergründen entwickelt werden. Im Ergebnis ist jedoch festzustellen, dass der aktuelle Datenstand zu gering (und z.T. auch zu widersprüchlich) ist, um auf dieser Basis ein Modell zu formulieren, mit dem sich das Tragverhalten realitätsgerecht simulieren und die Standsicherheit und Dauerhaftigkeit präzise (und richtig) prognostizieren ließe.

Obwohl die exakte Ableitung auf Grundlage eines genauen Simulations- / Prognosemodells aktuell nicht möglich ist, können anhand der durchgeführten Untersuchungen Ansätze zur Festlegung der Teilsicherheitsbeiwerte formuliert werden, die in Weiterentwicklung der bisherigen Ansätze als Empfehlungen für die Diskussion durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) und die diesbezüglich beratenden Sachverständigen zu verstehen sind.

Definiert werden in diesem Sinne:

  • γM,1 für die Streuung der Festigkeit
  • γM,2 für die Festigkeitsminderung durch "Alterung" infolge von klimatischen Einwirkungen
  • γM,3 für die direkte Festigkeitsminderung bei klimatischer Einwirkung
  • γM,4 für die Festigkeitsminderung infolge von Dauerlast-Einwirkungen
  • γM,5 für mögliche Ungenauigkeiten in der Ausführung vor Ort
  • γM,6 für mögliche Ungenauigkeiten in der theoretischen Modellbildung

Für einen Abschluss ist die Durchführung von ergänzenden (Grundlagen-) Untersuchungen zu den Komponenten und zum System des WDVS jedoch unumgänglich.

Überprüfung der Zuverlässigkeit der für die nächste Generation von EN 1992-1-1 vorgesehenen neuen Bemessungsansätze gegen Durchstanzen ohne Durchstanzbewehrung und Querkraft ohne Querkraftbewehrung

Forschende Stellen:

RWTH Aachen
Institut für Massivbau
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Josef Hegger; Dr.-Ing. Viviane Adam
Mies-van-der-Rohe-Str. 1
52054 Aachen

Hochschule Biberach
Biberach University of Applied Sciences
Prof. Dr.-Ing. Marcus Ricker, M.Sc.; Tânia Feiri, PDEng, M.Sc.; Konstantin Nille-Hauf, B.Eng.
Karlstrasse 11
88400 Biberach

Lfd. Nr.: 7.322 und 7.322.1

Im Zuge der Fortschreibung des Eurocode 2 (EC2) auf europäischer Ebene wurden für die Bestimmung des Durchstanzwiderstands ohne Durchstanzbewehrung und der Querkrafttragfähigkeit ohne Querkraftbewehrung von der aktuellen Norm abweichende Modelle vorgeschlagen, deren Herleitung auf Basis der Critical Shear Crack Theory (CSCT) erfolgte. Bei der Entwicklung der bisherigen Ansätze wurde in Deutschland der empirische Vorfaktor anhand von Versuchsergebnissen abgeleitet. Dabei wurde ein Zielwert von 1,0 für den 5 %‑Quantilwert des Verhältnisses aus Versuchsbruchlast und rechnerischer Durchstanz- bzw. Querkrafttragfähigkeit zugrunde gelegt. Im Zuge des vorliegenden Forschungsprojekts wurden die Versagenswahrscheinlichkeiten für die vorgeschlagenen Bemessungsmodelle mit semi‑probabilistischen Methoden quantitativ ermittelt. Dazu wurden die Zuverlässigkeitsindices b zur Validierung der Ergebnisse mit teilweise vier verschiedenen Berechnungsverfahren (Mean Value First Order Second Moment Method, First Order Reliability Method, First Order Second Moment Method und Monte Carlo Simulation) ermittelt. Der Zuverlässigkeitsindex b ist ein Maß für die Versagenswahrscheinlichkeit pf; je größer b, desto kleiner ist pf. Der Zielwert für die Kalibrierungen im Grenzzustand der Tragfähigkeit wurde gemäß DIN EN 1990 zu b = 3,8 festgelegt. Das entspricht dem Mindestwert der Zuverlässigkeitsklasse RC 2 für einen Bezugszeitraum von 50 Jahren, die mit der Schadensfolgeklasse CC 2 verknüpft ist.

Die durchgeführten Sensitivitätsanalysen haben gezeigt, dass das Sicherheitsniveau für die betrachteten Bemessungsgleichungen im Wesentlichen durch die Streuung der Modellunsicherheit bestimmt wird. Die statistischen Charakterisierungen der Betonfestigkeit und der statischen Nutzhöhe beeinflussen das Zuverlässigkeitsniveau ebenfalls, wohingegen die weiteren Zufallsvariablen lediglich eine untergeordnete Rolle spielen. Die statistische Charakterisierung der Modellunsicherheiten erfolgte auf Basis der Auswertung von Versuchsdatenbanken. Die statistischen Verteilungen der übrigen Zufallsvariablen wurden entsprechend der Angaben im Probabilistic Model Code festgelegt.

Für die untersuchten Bemessungsgleichungen können die Versagenswahrscheinlichkeiten hinreichend genau mit einer erweiterten First-Order-Methode ermittelt werden. Dies konnte durch Vergleichsberechnungen mit der Monte-Carlo-Methode bestätigt werden. Die Mean Value First Order Second Moment Methode (MVFOSM) sollte hingegen aufgrund ihrer Invarianz gegenüber der mathematischen Formulierung und der Nichtberücksichtigung des Verteilungstyps der Basisvariablen nicht verwendet werden. In den Parameterrechnungen lagen die mit der MVFOSM ermittelten Sicherheitsindices jeweils ca. 25 % unterhalb der übrigen Ergebnisse und wurden daher für die Bewertung des Sicherheitsniveau ausgeschlossen.

Für die Bemessungsansätze im Entwurf des neuen Eurocode 2 ergaben sich in den Parameterstudien Zuverlässigkeitsindices von ca. b ≈ 4,0 für Durchstanzen ohne Durchstanzbewehrung und von b ≈ 3,8 für Querkraft ohne Querkraftbewehrung. Die Gleichungen erreichen somit – mit Ausnahme von Betondruckfestigkeiten größer als etwa 40 MPa – das in EN 1990 geforderte Sicherheitsniveau.

Freisetzung von aromatischen Aminen aus Bauwerksabdichtungen – Verfahren zur analytischen Quantifizierung als Grundlage für die Bewertung im Rahmen der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ)

Forschende Stelle:

Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V.
Institut für Bauphysik
Dr. rer. nat. Schmohl
Hansastraße 27c
80686 München

Lfd. Nr.: 20.99

PUR- und Epoxid-Injektionsharze können kanzerogene Amine emittieren. Der zuständige Sachverständigenausschuss hat empfohlen, 19 als kanzerogen eingestufte Amine zu untersuchen (im Weiteren „DIBt-Amine“ genannt), davon sind 18 Amine aromatische Amine.

Im Rahmen der Zulassungsprüfungen werden die Freisetzung der aromatischen Amine aus PUR-Injektionsharzen mittels Inversen Säulenversuchen (ISV) und anschließender Bestimmung der Amine in ausgewählten ISV-Eluatfraktionen ermittelt. Der Bericht stellt für 17 kanzerogene aromatische Amine aus der „DIBt-Amine“ ein validiertes UPLC-MS/MS-Analysenverfahren (Ultrahochleistungs-Flüssigchromatographie gekoppelt mit Tandem-Massenspektrometrie) bereit.

In Proben werden für 15 stabile DIBt-Amine Bestimmungsgrenzen zwischen 0,008 und 0,048 µg/L erreicht. Für zwei instabile Amine werden in Proben Bestimmungsgrenzen von etwa 2 µg/L erreicht. Ein stoffspezifischer Vergleich mit der bislang für die Analyse von Aminen verwendeten GC-MS-Methode (Gaschromatographie gekoppelt mit Massenspektrometrie) anhand von Reinstwasser- und ISV-Eluatproben mit zudosierten aromatischen Aminen (18 DIBt-Amine zuzüglich Isomere) ergibt bei der UPLC-MS/MS-Methode eine gute und reproduzierbare (2 von 2) Wiederfindung der zudosierten Konzentrationen.

Bei der Analyse mittels der etablierten GC-MS-Methode wurde bei Konzentrationen zwischen 0,1 und 0,3 µg/L nur 4-Chlor-2-methylanilin in beiden Reinstwasserproben gefunden. Im Konzentrationsbereich zwischen 0,4 und 1,2 µg/L wurden 5 von 15 stabilen DIBt-Aminen in keiner der beiden Proben nachgewiesen. In den präparierten ISV-Eluatproben treten aufgrund von Matrixeffekten mit beiden Analysemethoden Minderbefunde auf, weshalb die routinemäßige Anwendung des Standardadditionsverfahrens empfohlen wird.

Der Vergleich des Zeitverlaufs der Aminfreisetzung mit dem TOC‑Verlauf anhand eines Injektionsharz-ISV-Eluats zeigt, dass die Aminfreisetzung zeitlich verzögert zum TOC-Verlauf auftreten kann. Die Auswahl der ISV-Eluatfraktionen für die Aminanalytik anhand der TOC-Maxima kann daher zu Minderbefunden führen. In den ISV-Eluatfraktionen wurden mittels UPLC-MS/MS-Analyse bis zu 15 µg/L 4,4‘‑Methylendianilin (4,4‘‑MDA), bis zu 4,8 µg/L 4,4’‑Methylen-bis-(2-chloranilin) und bis zu 1,0 µg/L 4‑Chloranilin nachgewiesen, während in der GC‑MS‑Analyse keines der 18 aromatischen Amine gefunden wurde.

Um einschätzen zu können, welche Amine in Injektionsharz-ISV-Eluaten für die bauaufsichtliche Zulassung relevant sind, sollten bis zu 15 Injektionsharze auf eine Freisetzung von aromatischen Aminen untersucht werden. Da im Projektverlauf die Eluatfraktionen lediglich eines Injektionsharzes zur Verfügung standen, wird empfohlen, zukünftig routinemäßig Analysen weiterer Injektionsharze mittels UPLC‑MS/MS durchzuführen. Eine entsprechende UPLC‑MS/MS-Verfahrensbeschreibung ist im Bericht enthalten.

Bewertung des Auslaugverhaltens von Schaumglasschotter

Forschende Stelle:

RWTH Aachen
Institut für Bauforschung
Prof. Dr.-Ing. Anya Vollpracht
Schinkelstraße 3
52062 Aachen

Lfd. Nr.: 20.103

Schaumglasschotter (SGS) ist ein mineralischer Dämmstoff mit lastabtragenden Eigenschaften, der aus Altglas hergestellt wird. Da Altglas als Abfallprodukt klassifiziert ist, muss das Material gemäß den "Grundsätzen zur Bewertung der Auswirkungen von Bauprodukten auf Boden und Grundwasser - Fassung 2011“ (DIBt-Grundsätze) auf auslaugbare Substanzen geprüft und eine Bewertung der Auswirkungen auf Boden und Grundwasser durchgeführt werden. Im Rahmen der Untersuchungen werden die Feststoffwerte nach Königswasseraufschluss gemäß DIN EN 13657 sowie die Eluatwerte gemäß DIN EN 12457-4 am eingesetzten Glasmehl ermittelt. Dies entspricht einer Bewertung nach Stufe 1 der DIBt-Grundsätze. In Stufe 2 erfolgt eine Untersuchung des Schaumglasschotters im Säulenversuch nach DIN 19528.

Ergebnisse aus ~ 300 Stichproben der werkseigenen Produktionskontrolle und der Fremdüberwachung zeigen wiederholt Überschreitungen der derzeit in Tabelle A-7 des Anhanges 10 der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) genannten Obergrenzen, die den Z1-Werten (Feststoff) bzw. den Z1.2-Werten (Eluat) der Technischen Regel Boden der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA), 2004, entsprechen. Mehr als 20 % der Proben zeigen Überschreitungen im Feststoff bei Blei und Kupfer oder in den Eluaten bei Arsen, Kupfer und Quecksilber.

Da zum einen der Schaumglasschotter unter realen Bedingungen nur im Randbereich von Sickerwasser durchströmt werden kann und im Weiteren durch die Prüfung des Glasmehls die Oberfläche vergrößert wird, stellt sich die Frage, ob die Prüfung und Bewertung angemessen oder zu strikt ist. Anstelle des Glasmehls könnten auch Glasscherben im Elutionsversuch geprüft oder - in Anbetracht des geringen Gefährdungspotentials in der vorgesehenen Einbauweise - das Prüf- und Bewertungsverfahren für Schaumglasschotter überarbeitet werden.

In diesem Vorhaben wurde darum zum einen der Einfluss der Korngröße auf die Eluatkonzentrationen im Schüttelversuch ermittelt und zum anderen auf Basis der Systematik der Ersatzbaustoffverordnung ein Vorschlag zur Bewertung erarbeitet.

Es wurden sechs Schüttelversuche an zwei Altgläsern durchgeführt, welche auf unterschiedliche Korngrößen gebrochen wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Prüfung mit Altglasscherben anstelle mit Glasmehl voraussichtlich weniger Materialien vom Einsatz ausschließen würde. Insbesondere Arsen und Quecksilber zeigten wesentlich niedrigere Eluatkonzentrationen bei Altglasscherben im Schütteltest als bei den gemahlenen Proben. Trotzdem kommt es auch bei der Prüfung von Altglasscherben weiterhin zu Grenzwertunterschreitungen.

Eine Bewertung analog zum Vorgehen der Ersatzbaustoffverordnung berücksichtigt neben den Hintergrundwerten im Boden auch die Bauwerksgeometrie und die nur teilweise Durchsickerung der Schaumglasschotterschicht als mindernde Faktoren bei der Bewertung der Eluatwerte.

Die Berücksichtigung dieser Faktoren ließe einen geschlossenen und aller Voraussicht nach auch einen teilweise durchsickerten Einbau von SGS zu.

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