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04. Juni 2021

Neuer Vorsitzender des Technischen Ausschusses bei EOTA

Matthias Springborn, Leiter des Referats EOTA, UEAtc des DIBt, wurde am 22. April 2021 von der Generalversammlung der EOTA zum neuen Vorsitzenden des Technischen Ausschusses (Technical Board) gewählt. Wir sprachen mit ihm über seine Ziele für diese Aufgabe und die Zukunft des ETA-Verfahrens.

Für diejenigen, die mit der Struktur der EOTA nicht so gut vertraut sind: Was macht der Technische Ausschuss?

Der Technische Ausschuss befasst sich mit konzeptuellen und inhaltlichen Fragen zu Europäischen Bewertungsdokumenten (EAD) und anderen EOTA-Spezifikationen, zum Beispiel Technical Reports. Zudem behandelt er Verfahrensfragen rund um die Erarbeitung dieser Dokumente.

Können interessierte Kreise im Technischen Ausschuss mitwirken?

Externe Experten, die allgemeine Interessen in der Bauindustrie vertreten, können sich in die Arbeit des Technisches Ausschusses einbringen und an seinen Sitzungen teilnehmen – mit Ausnahme des Teils, in dem einzelne EADs besprochen werden, die aufgrund des ETA-Antrags eines Herstellers erstellt werden. Denn diese Verfahren sind vertraulich.

Können Sie einige konkrete Beispiele für Aufgabenstellungen nennen, die im Technischen Ausschuss behandelt und gelöst wurden?

Der Technische Ausschuss ist oft mit Aspekten befasst, die nebensächlich wirken können, aber großen Einfluss auf die Leistung der EOTA haben.

Zum Beispiel hat der Technische Ausschuss ein System entwickelt, um EADs mit ähnlichem Zuschnitt vor deren Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zusammenzuführen. Kurz zum Hintergrund: Um den Anspruch der Hersteller auf Vertraulichkeit zu wahren, behandelt EOTA jeden ETA-Antrag – und damit auch das zugehörige EAD-Verfahren – individuell, auch wenn sie sich inhaltlich ähneln. EOTA und die Europäische Kommission haben sich nun verständigt, EADs mit sich überschneidenden Inhalten nach Möglichkeit vor der Bekanntmachung zusammenzuführen. Der Bestand an EADs wird damit übersichtlicher und konsistenter und ist für die Wirtschaftsakteure leichter nutzbar.

Was steht ganz oben auf Ihrer Agenda als neuer "TB-Chair"?

EOTA hat erst kürzlich mit der Europäischen Kommission ein Verfahren abgestimmt, um den Rückstau an EADs abzubauen, die noch nicht im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemacht wurden.

Die Implementierung dieser Lösungen, die wir unter dem Vorsitz meiner Vorgängerin Louisa Morfini von der italienischen Bewertungsstelle ITB erfolgreich erarbeitet haben, hat für mich oberste Priorität. Nur so kann EOTA Herstellern den Service bieten, den sie erwarten.

Ein weiterer ganz zentraler Punkt ist für mich das Informationsmanagement. Das ist natürlich keine neue Herausforderung, sondern eine, die EOTA mit seinen auf mehr als 25 Länder verteilten Mitgliedern schon lange begleitet. Es ist wichtig, dass Informationen, z.B. Änderungen bei den EAD-Redaktionsrichtlinien oder spezielle Vorgaben und Wünsche der Kommissionsdienste, schnell an alle Stellen weitergegeben und konsequent umgesetzt werden.

Als Mitglied der EOTA und Vertreter einer nationalen Behörde verfolgen Sie die aktuellen Diskussionen um die Zukunft der Bauproduktenverordnung engmaschig. Welche Rolle spielt hier die ETA als Regelungsinstrument neben den harmonisierten Normen?

In den Gesprächen der interessierten Kreise steht derzeit die harmonisierte Normung im Mittelpunkt. Die Gesprächsrunden der Mitgliedstaaten sind hier keine Ausnahme. Und natürlich ist es für die Bauindustrie von zentraler Bedeutung, dass sie die wertvolle technische Arbeit des CEN zeitnah nutzen kann.

In diesem Sinne kann man es als positives Zeichen werten, dass derzeit wenig über das ETA-Verfahren gesprochen wird. Erst kürzlich wurde das sogar als Begründung bei einem Stakeholder-Meeting angeführt: es gebe ja keine wesentlichen Probleme.

Andererseits finde ich es wichtig, ab und an daran zu erinnern, dass die beiden Wege, also die Normung und die ETA-Route unterschiedliche Ausrichtungen haben. Harmonisierte Normen behandeln "Standard"produkte, also Produkte, die breitflächig eingesetzt werden und für die auf jeder Stufe von der Herstellung, Prüfung und Zertifizierung über die Planung bis zum Einbau vor Ort ausreichend Erfahrung vorliegt. Daneben gibt es aber eine große Vielfalt von Produkten, auf die diese Kriterien nicht zutreffen: Innovationen, Nischenprodukte, komplexe Produkte und Bausätze und viele andere mehr. Die ETA bietet einen individuellen, schnellen, sicheren und harmonisiertem Weg, diese Produkte für den europäischen Markt verfügbar zu machen. Deshalb brauchen wir beide Instrumente.

Rund 1200 Europäische Technische Bewertungen werden jedes Jahr ausgestellt, obwohl sie freiwillig ist. Warum beantragen Hersteller eine ETA?

Das hat oft mehrere Gründe. Marktchancen spielen natürlich eine wichtige Rolle, aber auch der Wunsch, den Mehrfachaufwand, der mit unterschiedlichen nationalen Verfahren verbunden ist, zu vermeiden. Häufig ist aber die Nachfrage der Kunden der ausschlaggebende Faktor. In vielen Branchen hat sich die ETA als Referenzdokument etabliert. Nutzer schätzen die ETA als zuverlässige, unabhängige und umfassende Informationsquelle zur Leistung eines Produkts.

Wenn Sie das aktuelle ETA-Verfahren in genau einem Punkt verbessern könnten, welcher wäre das?

Derzeit enthält die Bauproduktenverordnung keine Zeitrahmen für die Rückmeldungen der Kommissionsdienste zu EADs. In Kombination mit äußeren Entwicklungen, etwa dem viel zitierten James-Elliott-Urteil des Europäischen Gerichtshofs, hat dies zu Verzögerungen geführt. Zwar tun beide Seiten ihr Möglichstes, um eine zeitnahe Bekanntmachung der EADs im Amtsblatt zu gewährleisten, dennoch denke ich, dass die Festschreibung eines Verfahrens einschließlich klarer zeitlicher Vorgaben, wie es sie für die Arbeit der Technischen Bewertungsstellen bereits gibt, für alle Beteiligten von Vorteil wäre.

Und welche Merkmale des ETA-Verfahrens sollten auch in einem künftigen neuen Rechtsrahmen beibehalten werden?

EOTA beruht auf der Zusammenarbeit von hochqualifizierten Stellen, die sich nicht nur durch ihre technische Expertise, sondern auch eine genaue Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Baupraxis ihrer Herkunftsstaaten auszeichnen. Dies bildet die Grundlage dafür, dass die ETA die Anforderungen unterschiedlicher Nutzergruppen – insbesondere der Verwender von Bauprodukten, Hersteller und Mitgliedstaaten erfüllt.

Essentiell wichtig für nicht-genormte Bauprodukte ist auch die Kopplung von technischer Spezifikation, also dem EAD, und der technischen Bewertung, also der ETA, wie sie derzeit in der Bauproduktenverordnung vorgesehen ist. So ist sichergestellt, dass neue Bewertungsverfahren erprobt werden und der Erfahrungsgewinn direkt in das EAD zurückfließt.

Insbesondere aber stärkt die unabhängige Bewertung durch die Technischen Bewertungsstellen das Vertrauen in die Zuverlässigkeit nicht-genormter, CE-gekennzeichneter Produkte und die europäischen Verfahren.

Matthias Springborn
Matthias Springborn
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